Das Thema “digitale Zeiterfassungspflicht” geht in die nächste Runde. Nach Gerichtsurteilen des EuGH und des Bundesgerichts ist eine entsprechende Anpassung des deutschen Arbeitsgesetzes geplant. Alle Arbeitszeiten müssen zukünftig elektronisch erfasst werden. Ein Gesetzesentwurf des Arbeitsministeriums liegt der Bundesregierung jetzt vor.
Was galt und geschah bisher?
Obwohl der Europäische Gerichtshof bereits im Mai 2019 entschieden hatte, dass die Arbeitszeit von Angestellten in allen EU-Ländern stundengenau erfasst werden muss, änderte sich in Deutschland zunächst nichts. Nur Überstunden und Arbeitszeit an Sonn- und Feiertagen müssen bisher laut §16 Arbeitszeitgesetz erfasst werden. Dies gilt bis heute. Ein festgeschriebenes Gesetz zur verpflichtenden Erfassung der gesamten Arbeitszeit gibt es bisher nicht. Noch nicht.
Nach einem Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) erfolgte im September 2022 der nächste Schritt. Laut Urteil besteht in Deutschland bereits eine Erfassungspflicht der Arbeitszeit.
Die zuständige Richterin Inken Gallner verwies in ihrem Urteil auf einen Passus im deutschen Arbeitsschutzgesetz, der besagt, dass Arbeitgeber in Deutschland dazu verpflichtet seien, ein System einzuführen, mit dem die Arbeitszeit der Mitarbeitenden erfasst werden kann. Nach Gallners Auffassung besteht somit genau genommen bereits eine Zeiterfassungspflicht in Deutschland: “Wenn man das deutsche Arbeitsschutzgesetz mit der Maßgabe des Europäischen Gerichtshofs auslegt, dann besteht bereits eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung.“ (Quelle)
Gesetzentwurf des Bundesarbeitsministeriums
Nun legt das Arbeitsministerium einen Gesetzentwurf vor, der von der Bundesregierung entsprechend bearbeitet wird. Der Entwurf sieht vor, dass die tägliche Arbeitszeit (Beginn, Ende und Dauer) elektronisch erfasst werden muss. Die Erfassung kann von Arbeitgeberseite, den Beschäftigten selbst oder einer dritten Partei durchgeführt werden. Die Zeiten müssen dabei für die Mitarbeitenden einsehbar sein.
Es soll aber auch Ausnahmen geben, die jedoch in Tarifverträgen vereinbart werden müssen. Beliebte Anpassungen können z.B. die nachträgliche Eintragung der Arbeitszeit oder auch eine handschriftliche Erfassung sein. Es soll nach dem Entwurf des Arbeitsministeriums aber theoretisch auch eine vollständige Befreiung von der Zeiterfassungspflicht für Sonderfälle möglich sein. (Mehr zum Thema findet ihr in unserem Artikel: Zeiterfassungspflicht: Welche Ausnahmen gibt es?)
Was müssen Arbeitgeber nun tun?
Wann die Bundesregierung ein Gesetz auf Basis des vorgelegten Entwurfs verabschiedet und was dieses letztlich konkret beinhalten wird, steht offen. Für Arbeitgeber steht eine Sache allerdings fest: Die Pflicht zur digitalen Zeiterfassung kommt, wann auch immer.
Mit Blick auf das Urteil des BAG besteht die Verpflichtung zur Zeiterfassung bereits – auch ohne festgeschriebenes Gesetz – und alle Unternehmen ohne Zeiterfassung sollten deshalb keine Zeit verlieren.
Mit Blick auf die geplante Verpflichtung zur “elektronischen” Erfassung sollte man nicht mehr mit Zettel und Papier starten. Und wer noch analog erfasst, steigt am besten direkt um. Für beide gilt: Je früher desto besser.
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