Die Zeiterfassungspflicht ist durch das überraschende Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts vom 13.09.2022 wieder mal in den Fokus gerückt. Das BAG entschied, dass in Deutschland die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung besteht.
Doch was bedeutet das Urteil denn jetzt konkret? Müssen nun alle Arbeitgeber eine Stechuhr einführen?
In diesem Artikel beantworten wir die 11 wichtigsten Fragen zum Thema Stempeluhr Pflicht.
Frage #1: Was ist eine Stempeluhr?
Eine Stempeluhr bzw. Stechuhr ist ein Gerät zur Messung der täglichen Arbeitszeit in einer Organisation. Mit ihr lassen sich Arbeitsbeginn und Arbeitsende von Beschäftigten aufzeichnen. Klassische Stempeluhren kamen im 19. Jahrhundert im Zuge der Industrialisierung auf. Diese Geräte druckten die Arbeitszeiten noch auf einen Pappkarte, doch mittlerweile nutzen viele Einrichtungen die elektronische Zeiterfassung über Terminals oder Chipkarten.
Frage #2: Was ist der Unterschied zwischen Stechuhr und Stempeluhr?
Es gibt keinen Unterschied.
Die Begriffe Stempeluhr und Stechuhr werden synonym gebraucht. Sie beziehen sich einfach nur auf verschiedene technische Vorgänge. Klassische Kontrolluhren stempeln auf Papier und stechen ein Loch in einen Papierstreifen. Vereinfacht lässt sich sagen, dass der Begriff Stechuhr vor allem in Mittel- und Norddeutschland verbreitet ist, während Stempeluhr vor allem im Süden Deutschlands sowie Österreich dominiert.
Frage #3: Worum ging es in dem ursprünglichen Stechuhr-Urteil des EuGH?
Der Europäische Gerichtshof hat im Mai 2019 entschieden, dass Arbeitgeber innerhalb der EU jede einzelne Arbeitsstunde ihrer Mitarbeiter erfassen müssen. In seiner Begründung betonte der EuGH, dass Zeiterfassung ein Arbeitnehmergrundrecht sei.
Nach Verkündung des Urteils entbrannte eine Debatte über die tatsächlichen Konsequenzen. Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter, Rechtsexperten, Verbände und die Politik – sie alle diskutierten über viele Monate hinweg. Und sie diskutieren noch immer, denn eine klare Antwort gibt es noch nicht (dazu gleich mehr).
Frage #4: Und worum ging es in dem BAG-Urteil zur Zeiterfassungspflicht?
Drei Jahre nach dem EuGH-Urteil folgte im September 2022 die nächste wegweisende Gerichtsentscheidung. Das BAG erklärte, dass in Deutschland die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung bestehe. Es begründete seine Entscheidung nicht nur mit dem Stechuhr-Urteil des EuGH, sondern auch mit dem deutschen Arbeitsschutzgesetz. Dort sei verankert, dass Arbeitgeber ein System einführen müssen, das die Arbeitszeiten der Angestellten dokumentieren kann.
Frage #5: Kommt die Stempeluhr Pflicht für alle?
Die Stempeluhr Pflicht für alle steht noch nicht endgültig fest.
Rechtsexperten sind sich bei der Interpretation des BAG-Urteils noch nicht einig. Viele gehen aber davon aus, dass das Urteil für alle Unternehmen gelten wird – ganz egal welcher Größe. Für diesen Fall werden massive Auswirkungen auf bisherige Modelle der Vertrauensarbeitszeit oder auch Remote Work erwartet.
Frage #6: Wie ist die Zeiterfassung bei Überstunden geregelt?
Auch Überstunden fallen unter die von EuGH und BAG eingeforderte Zeiterfassungspflicht. Schon vor dem Stechuhr-Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2019 mussten Arbeitgeber in Deutschland laut Arbeitszeitgesetz die Überstunden ihrer Beschäftigten aufzeichnen, wenn die tägliche Arbeitszeit von 8 Stunden überschritten wurde. Das EU-Urteil weitete die Zeiterfassungspflicht auf die gesamte tägliche Arbeitszeit aus. Denn nur so könnten Arbeitnehmer kontrollieren, ob sie die Höchstarbeitszeit und die obligatorischen Ruhezeiten einhalten.
In vielen Unternehmen wird diese Vorgabe jedoch bis heute nicht oder nur teilweise umgesetzt. Wenig verwunderlich, dass Überstunden oft als nötiges Übel abgetan werden.
Viele Unternehmen umgingen das Thema Überstunden dokumentieren bisher durch Modelle der Vertrauensarbeitszeit. Sobald jedoch die Zeiterfassungspflicht so umgesetzt wird, wie gefordert, würde dies ein Umdenken erzwingen.
Frage #7: Wann wird Zeiterfassung Pflicht?
Das ursprüngliche Stempeluhr-Urteil des EuGH gibt vor, dass die Mitgliedsstaaten die Regelungen zur Zeiterfassung zunächst in nationales Recht gießen müssen. In Deutschland ist dies bisher noch nicht geschehen, auch wenn sich die Ampel-Koalition dies als Ziel vorgenommen hatte.
Das Stechuhr-Urteil des BAG hingegen verweist auf eine bereits bestehende Pflicht zur Zeiterfassung in Deutschland (siehe auch unseren laufend aktualisierten Übersichtsartikel zum Thema Zeiterfassungspflicht). Hier steht die schriftliche Urteilsbegründung des Gerichts noch aus. Aus diesem Grund halten sich die meisten Rechtsexperten mit konkreten Empfehlungen noch zurück.
Frage #8: Für wen gilt die Stempeluhr Pflicht?
Die Pflicht zur Zeiterfassung soll für alle Arbeitgeber gelten, dies betonen sowohl EuGH als auch BAG. Da das EU-Urteil noch nicht in national geltendes Recht überführt wurde, ist diese Frage noch nicht endgültig zu beantworten. Das BAG-Urteil hingegen bezieht sich zwar auf bestehendes Recht, hier hat die Debatte um die tatsächlichen Konsequenzen jedoch gerade erst begonnen.
Frage #9: Wird es eine Pflicht zur elektronischen Zeiterfassung geben?
Das EU-Urteil ist eindeutig: Die Dokumentation der erfassten Arbeitszeiten müsse „unmittelbar, elektronisch und manipulationssicher“ erfolgen. Die Zeiten der klassischen Stempeluhr scheinen also tatsächlich gezählt. Jedes Unternehmen sollte sich spätestens jetzt Gedanken machen, wie sich die Stempeluhr digital umsetzen lässt.
Frage #10: Gibt es eine Stempeluhr App?
Zeiterfassungs-Apps und Software sind auf dem Vormarsch – und das aus gutem Grund: Eine allgemeine Pflicht zur elektronischen Zeiterfassung scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Dennoch sind traditionelle Stempeluhren und gerade Stundenzettel immer noch weit verbreitet. Längst gibt es effizientere Methoden der elektronischen Zeiterfassung via Terminals, Chipkarten oder Software.
Ein Beispiel für eine vielseitige Zeiterfassungs-Software ist absence.io. Mit absence.io erfassen Sie die Arbeitszeiten Ihrer Belegschaft so flexibel, einfach und zuverlässig wie nie zuvor. Entdecken Sie all Ihre Vorteile hier.
Frage #11: Wie geht es bei der Zeiterfassungspflicht nun weiter?
Rechtsexperten, Verbände und auch die Politik warten nun auf die abschließende Urteilsbegründung des Bundesarbeitsgerichts. Diese wird bis spätestens Ende Februar 2023 vorliegen. Die meisten Rechtsexperten werden erst dann konkrete Analysen und Ratschläge veröffentlichen.
Frage #12 und Fazit: Was sollten Unternehmen jetzt in Sachen Stempeluhr Pflicht tun?
Unabhängig davon, wie die Urteile von EU und BAG am Ende tatsächlich umgesetzt werden, sollten sich Unternehmen schon heute mit dem Thema Zeiterfassungspflicht beschäftigen. Als Arbeitgeber solltest du dir die Zeit nehmen, um die richtige Lösung für dein Unternehmen zu finden. Eine Lösung, die alle Besonderheiten und Bedürfnisse deines Arbeitsalltags berücksichtigt und dein Unternehmen für alle Fälle wappnet.
Wer erst dann reagiert, wenn die Konsequenzen zu 100% klar sind, muss am Ende mehr Zeit und oft auch deutlich mehr Geld aufwenden, um eine gängige Lösung zu implementieren. Das Beispiel DSGVO hat bereits gezeigt, dass Experten in solchen Momenten heiß begehrt sind. Vermeide also lange Wartezeiten und kümmere dich schon jetzt um eure digitale Stechuhr.
Mit absence.io kannst du beim Thema Zeiterfassung gelassen bleiben.
Alle Features und Vorteile findest du auf absence.io.
Mehr zum Thema Zeiterfassung
- Arbeitszeitgesetz und Ruhezeit: 11 Antworten, die jeder Arbeitgeber kennen sollte
- Zeiterfassungspflicht: Welche Ausnahmen gibt es?
- Zeiterfassungspflicht: Das EuGH-Urteil und die Folgen für Dein Unternehmen
- Zehn Gründe für die digitale Zeiterfassung
- Zeiterfassung für Kleinbetriebe: Die Hürden und wie ihr sie bewältigt
Wichtig: Dieser Artikel ist keine Rechtsberatung, sondern dient ausschließlich der Information. Er soll eine individuelle Rechtsberatung nicht ersetzen, sondern lediglich wichtige Hinweise zum Thema Zeiterfassung und Stempeluhr liefern.