Halbe Urlaubstage – Ein Märchen?

Der Zahnarzttermin um 10:00 Uhr Vormittag und keine Gleitzeit. Da wird er gerne in Anspruch genommen: der halbe Urlaubstag. Auch bei Teilzeitkräften ist er populär, weil man z.B. nur von 09:00 -13:00 Uhr arbeitet. Das ist schließlich nur ein „halber Arbeitstag“.
Was in der Praxis weit verbreitet ist, ist tatsächlich ein potentieller Rechtsverstoß. Im Bundesurlaubsgesetz sind nämlich keine halben Urlaubstage vorgesehen. Im März 2019 wurde der Anspruch auf halbe Urlaubstage vom Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg sogar für rechtwidrig erklärt.

Sind halbe Urlaubstage also grundsätzlich nicht möglich? Nicht ganz. Wie es sich mit halben Tagen genau verhält, erklären wir euch im Detail.

Der rechtliche Hintergrund – kurz und knapp

Im Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer (Bundesurlaubsgesetz) § 3 ist von „Mindesturlaub“ die Rede. „Der Urlaub beträgt jährlich mindestens 24 Werktage“. Die Krux um den halben Urlaubstag findet sich bereits in dieser Formulierung. Warum 24?

In Deutschland hat die Woche 6 Werktage: Montag bis Samstag. Die 24 entspringt der Intention, dass Arbeitnehmenden 4 Wochen Urlaub im Jahr zustehen sollen.
4 x 6 = 24.

Die größte Verwirrung schafft der Begriff „Werktage“. Werktage bedeutet nicht Urlaubstage! Arbeitet man z.B. 5 Tage die Woche, beträgt der gesetzliche Mindesturlaub 20 Tage. Arbeitet man 4 Tage die Woche bekommt man 16, usw. Die Anzahl der Urlaubstage berechnet sich immer auf Basis der 4 Wochen Urlaub.
Stellt sich die Frage: Warum ist das im BUrlG so verwirrend formuliert?

In § 7 Abs. 2 steht: „Der Urlaub ist zusammenhängend zu gewähren […].“ Würde man also den gesetzlichen Mindesturlaub am Stück nehmen, hätte man 24 Werkstage am Stück frei. Daher rührt wahrscheinlich die etwas eigenartige Formulierung im BUrlG.
Davon abgewichen werden darf laut Gesetzestext tatsächlich nur, wenn „[…] dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung des Urlaubs erforderlich machen.“
Dieser Absatz macht dem halben Urlaubstag den Garaus.

Landesarbeitsgericht: Kein gesetzlicher Anspruch auf halbe Urlaubstage

2017 klagte ein Arbeitnehmer aus Baden-Württemberg gegen seinen Arbeitgeber. Er forderte Anspruch auf halbe Urlaubstage, um einer Nebentätigkeit nachgehen zu können (mehr Details hier). Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg wies die Klage mit der Begründung zurück, dass die „Zerstückelung“ der Urlaubstage dem Erholungsgedanken des Urlaubs, der im BUrlG verankert ist, widerspricht.
Ergo: Arbeitnehmer haben keinen Anspruch auf halbe Urlaubstage.
Sind halbe Urlaubstage also grundsätzlich nicht möglich?

Nein. Das Landesarbeitsgericht wies die Klage auch deshalb zurück, weil im Arbeitsvertrag des Klägers kein “Selbstbeurlaubungsrecht“ vereinbart war, das den Urlaub betrifft, der den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigt.
Dieser ist für Arbeitnehmer und -geber leichter individuell anpassbar.

Mindesturlaub vs. Mehrurlaub

Über den Mindesturlaub hinaus, darf der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmenden so viel Urlaub gewähren wie er möchte. Im Gesetzestext findet sich keine Obergrenze. Es gibt also keinen „Maximalurlaub“. Bei allem was über den Mindesturlaub hinausgeht, ist der Gesetzgeber deutlich liberaler, weil es im Grunde nicht mehr in seinen „Zuständigkeitsbereich“ fällt. Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber bedeutet das, dass sie für diesen Urlaub gewisse Sonderregeln vereinbaren können, z.B. halbe Urlaubstage.
Aber Vorsicht: Derartige Sonderregeln müssen vertraglich detailliert festgehalten werden!
Stehen diese nicht explizit im Arbeitsvertrag, gelten für den Mehrurlaub die gleichen gesetzlichen Regeln wie für den Mindesturlaub. Die Klage des Arbeitnehmers im obigen Fall ist gescheitert, weil die halben Urlaubstage aus seinem Mehrurlaub nicht im Arbeitsvertrag festgeschrieben waren.

Das Fazit für Arbeitgeber und Personalabteilung

Halbe Urlaubstage sind nicht gänzlich unmöglich. Beim gesetzlichen Mindesturlaub existiert kein Anspruch, auch dann nicht, wenn Arbeitnehmer und Arbeitgeber es im Vertrag anderweitig vereinbaren. Hier steht Gesetz über Arbeitsvertrag.
Bekommt der Arbeitnehmer aber Mehrurlaub über den Mindesturlaub hinaus, sind halbe Urlaubstage durchaus möglich. Allerdings müssen diese konkret im entsprechenden Arbeitsvertrag geregelt werden.

Die Arbeitnehmerseite kann sich also bei entsprechenden Anfragen immer auf die Gesetzeslage berufen. Nach dieser gilt ganz klar: Es existiert kein gesetzlicher Anspruch auf halbe Urlaubstage.

Aussagen wie: „Ich arbeite freitags aber nur bis 13:00 Uhr, also brauche ich auch nur einen halben Urlaubstag.“ könnt ihr also getrost abblocken. Gleichzeitig solltet ihr aber unbedingt die Gegenseite beachten! Wenn Person A freitags immer nur bis 13:00 Uhr arbeitet, bekommt sie dafür trotzdem einen ganzen Urlaubstag.

Zusammenfassung zum halben Urlaubstag

Wir haben die wichtigsten Aspekte in Stichpunkten zusammengefasst:

  • Der gesetzlich festgelegte Mindesturlaub dient der Erholung und darf daher nicht zerstückelt werden
  • Es gibt folglich keinen gesetzlichen und grundsätzlich Anspruch auf halbe Urlaubstage
  • Das Gesetz regelt nur den dort festgeschriebenen Mindesturlaub, nicht aber einen darüber hinausgehenden Mehrurlaub
  • Beim Mehrurlaub sind halbe Urlaubstage möglich
  • Eine entsprechende Regelung muss allerdings detailliert im Arbeitsvertrag festgeschrieben werden
  • Ist eine derartige (oder andere) Sondervereinbarung nicht im Vertrag festgeschrieben, gelten für den Mehrurlaub die gleichen Regeln wie für den Mindesturlaub

Anmerkung

Das Urteil des Landesarbeitsgerichts in Baden-Württemberg bezieht sich lediglich auf den Anspruch. Im genannten Fall, ging es dem Arbeitnehmer darum, seinen grundsätzlichen Anspruch auf halbe Urlaubstage einzuklagen. Auf Basis des BUrlG hat das Gericht die Klage abgewiesen. Es gibt keinen gesetzlichen Anspruch auf halbe Urlaubstage. Das bedeutet allerdings nicht automatisch, dass der Arbeitgeber dem Arbeitsnehmer keine halben Urlaubstage gewähren darf.

Solange sich Arbeitnehmer und -geber über die Situation einig sind, gibt es auch kein Problem. Wenn Manfred seine Vorgesetzte fragt, ob er einen halben Tag frei bekommen kann und sie sagt: „Klar!“, ist auch die Situation klar. Denn: Wo kein Kläger da kein Richter. Dies gilt nicht nur für potentiellen Mehrurlaub sondern auch für den gesetzlichen Mindesturlaub.
Das aber nur am Rande. 😉

In eigener Sache

Solltet ihr noch auf der Suche nach einer ordentlichen Software zur Urlaubsverwaltung, Abwesenheitsmanagement, Zeiterfassung und Co. sein, schaut doch mal bei uns vorbei. Ihr könnt unsere Software absence.io 14 Tage kostenlos und unverbindlich testen. Viel Spaß dabei!

Das könnte dich auch interessieren:

Nach oben scrollen